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Los 800

Zentraler Besatz eines frühmittelalterlichen Gemmenkreuzes

Schätzpreis:

10.000 € - 15.000 €

Zuschlagspreis:

28.000 €

Beschreibung:

Erste Hälfte 7. Jahrhundert
D. 7 cm
Gold, Bergkristall, Granate, Durchmesser 7 cm, Höhe bis zu 1,1 cm, Gewicht 40,5 g.
Das runde goldene Zierblech mit hohem rückseitigem Rahmen ist im Zentrum mit einem ovalen, leicht mugelig geschliffenen Bergkristall von 1,85 x 1,51 cm besetzt, den seinerseits goldenes Flechtband und Kerbdrähte umschließen. Von der Fassung des zentralen Schmucksteines gehen vier Kreuzarme aus jeweils vier rechteckigen Zellfassungen (Cloisonné) mit dunkelroten Granateinlagen aus (drei davon fehlen), die in großen quadratischen Zellfassungen mit ebenfalls dunkelroten Granateinlagen enden. Zwischen den Kreuzarmen sind vier runde Cloisonnés mit jeweils zwei orangeroten und lilafarbenen Granaten aufgesetzt. Tordierte und gekerbte Golddrähte rahmen die Scheibe, auf der in zwei Zonen Spiralranken aus gekerbten Golddrähten flächig aufliegen. Das runde Goldblech ist im Bereich des zentralen Schmucksteines, den großen Steinfassungen an den Enden der Kreuzarme und den runden Zellfassungen ausgeschnitten, so dass der farbige Steinbesatz bei entsprechender Beleuchtung für die Betrachter eine außergewöhnliche Wirkung erzielen konnte. Rückseitig zeichnen sich die Kreuzarme im goldenen Grundblech ab.
Leichte Altersschäden, min. erg., ein paar Steine fehlen.
Aus einer bedeutenden Privatsammlung, laut Angaben des ehemaligen Eigentümers seit ungefähr 1920 im Besitz seiner Familie, versteigert bei Nagel Auktionen, Auktion 46T 17.5.2006, Lot 803 und nun aus dem Nachlass des Käufers
Aufgrund seiner charakteristischen Zierformen - der Kombination aus flächigem Golddrahtauflagen und Cloisonné - gibt sich das kostbare Stück als hochwertige Goldschmiedearbeit der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts zu erkennen. Offensichtlich ist die Nähe zu qualitätvollen Scheibenfibeln dieser Zeit. Diese werden Goldschmieden im fränkischen Reich zugeschrieben, die unter Einfluss der Hofwerkstätten standen. Ihre Werkstätten sind im Bereich der salfränkischen Kernlande, im heutigen Belgien, in Nordostfrankreich oder in den Niederlanden zu suchen.
Das auf größtmögliche Leuchtkraft ausgerichtete Werk, das sich die transluzide Wirkung des Bergkristalls und der acht großen farbigen Steineinlagen zu Nutzen macht, ist funktional in der frühmittelalterlichen Liturgie zu verorten. Daran lässt das Hauptmotiv in Form eines christlichen Kreuzes keinen Zweifel zu. Hierzu passt auch die hohe Wertigkeit des Bergkristalls, dem in der Antike und im Mittelalter als kostbarer, nur mit hohem Arbeitsaufwand von Spezialisten zu bearbeitender Werkstoff magische und unheilabwehrende Kräfte zugeschrieben wurde. Als Synonym von Licht und Reinheit zählten Bergkristalle zu den begehrtesten Schmucksteinen bei der Verzierung von Reliquien und anderen heiligen Gegenständen.
Das kostbare Schmuckstück war ursprünglich Teil eines frühmittelalterlichen Gemmenkreuzes (Crux gemmata). Über den rückseitig aufgebrachten hohen Rahmen (0,68-0,8 cm) war das Medaillon im Zentrum des Kreuzes bis zum umlaufenden tordierten Golddraht in das Kreuz eingelassen. Das Kreuz selbst bestand im Kern vermutlich aus Holz, das seinerseits mit Edelmetall gefasst und kostbarem Steinbesatz dekoriert war.
Literatur: Hayo Vierck, Werke des Eligius. In: Georg Kossack / Günter Ulbert (Hrsg.), Studien zur vor- und frühgeschichtlichen Archäologie. Festschrift für Joachim Werner zum 65. Geburtstag (München 1974) S. 309-380 bes. 359-367; Elke Hartoch, Merowingische Fibel mit cloisonnierter Goldschmiedearbeit aus Rosmeer (Belgien). In: Von den Göttern zu Gott. Frühes Christentum im Rheinland. Begleitbuch zur Ausstellung im Rheinischen Landesmuseum Bonn (Köln 2006) S. 124 f.; Theo Jülich, Gemmenkreuze. Die Farbigkeit ihres Edelsteinbesatzes bis zum 12. Jahrhundert. Aachener Kunstblätter Bd. 54-55 (Köln 1988) S. 99-258.
Prof. Dr. Marcus Trier, Köln